Neue Unsicherheiten und neue Grenzziehungen – zum Wandel von Angestelltenarbeit in Finanzdienstleistungsunternehmen
Ingo Singe
Zusammenfassung
Dieser Artikel präsentiert Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung zur subjektiven Beschäftigtenwahrnehmung von Wandel und Kontinuität der Arbeit in zwei Finanzdienstleistungsunternehmen. Diagnostiziert wird ein tiefgreifender Bruch, der aus Perspektive der Angestellten in erster Linie als Prozess der Entsicherung beschrieben wird. Als Treiber der Verunsicherung identifiziere ich nicht allein die unmittelbare Bedrohung durch Arbeitsplatzverlust, sondern zusätzlich eine weitreichende Auflösung des tradierten Sozialmodells, die Destabilisierung von Kooperations- und Sozialbezügen im Zuge permanenter Reorganisation und Vermarktlichung sowie widersprüchliche (Leistungs-) Anforderungen an das Individuum. Die Unsicherheit beschädigt die Orientierungs- und Handlungsfähigkeit des Individuums, es droht der Verlust des Kohärenzgefühls. In einem zweiten Schritt beschreibe ich Begrenzung und Rückzüge als Formen des Beschäftigtenverhaltens in den neuen Verhältnissen: Begrenzung der Identifikation mit dem Unternehmen, quantitative Begrenzung der Arbeitskraftverausgabung, Begrenzung informeller Kooperation und opportunistisches Zurückhalten von Kritik und Initiative als Form begrenzten Involvements. Ich bilanziere, dass die Bearbeitung der neuen Unsicherheit in der Angestelltenarbeit die Subjekte vielfach überfordert, dass Vermarktlichung bestimmte Formen subjektiver Einbringung eher hemmt denn fördert und dass die Individuen auch unter prekären Bedingungen nicht umstandslos den neuen Anforderungen fügen.
Title (english)
Abstract (english)
This article uses qualitative data from two case studies to examine change and continuity in white collar employment. Data was collected in two financial institutions in order to capture employee perspectives and reconstruct workers practical involvement and reaction to change. This research finds deep feelings of uncertainty amongst Angestellte. The new uncertainty can be traced back to various sources, is not necessarily triggered by threats of immediate job loss. Employees describe more far reaching processes: traditional forms of interaction between management and employees and normative integration have eroded; safeguarding mechanisms have been dismantled. Market driven restructuring has had a negative impact on social and cooperative relations at work and individuals are being confronted by contradictory demands. These processes have impeded on individual’s capacity to orientate themselves at work and develop capacities for strategic action. I then go on to describe employee’s practical behaviour. Even though precarity might discipline workers and increase effort, employees displayed alternative reactions as well: disengagement, disloyalty, soldiering, opportunism and reduced informal cooperation were manifest forms of employee behaviour. I conclude that marketization does not necessarily produce employees capable and willing to deal with uncertainty in ways wished for by management.