Artikel in AIS-Studien Jahrgang 2, Heft-Nr. 2 (2009)

Zum Wandel von Arbeit und Expertentum im Finanzsystem – das Beispiel der Ratinganalysten

Stefanie Hiß

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise viel kritisierten Ratingagenturen, insbesondere mit dem Wandel der Arbeitsweise der Ratinganalysten. Während beim klassischen Unternehmens-(anleihe)rating Analysten direkten Kontakt zum Unternehmen aufnehmen, und dieses auf der Basis einer autonomen, qualitativen Expertenentscheidung beurteilen, sind sie bei der Bewertung strukturierter Finanzprodukte auf externe, von Dritten erstellte Daten angewiesen, die sie mit Hilfe quantitativer formalisiert-standardisierter Modelle auswerten. Zum Auslöser der Finanzkrise wurden die deutlich zu optimistisch bewerteten strukturierten Finanzprodukte, deren breite Abwertung im Jahr 2007 die Abwärtsspirale der Finanzmärkte in Gang brachte. Obwohl die Europäische Kommission als Antwort auf dieses Versagen die Ratingagenturen stärker zu regulieren versucht, nimmt sie in ihren Gesetzesvorhaben keine Unterscheidung zwischen den beiden Ratingverfahren und der damit verbundenen unterschiedlichen Arbeitsweise vor. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass das Entscheidungs-modell autonomer, qualitativer Expertenentscheidungen, das beim Unternehmens-rating keine Auswirkungen auf die Krise hatte, auf Kosten einer noch stärkeren Quantifizierung, Formalisierung und Standardisierung der Arbeitsweise der Ratinganalysten geschwächt wird.

Title (english)

Abstract (english)

The paper deals with rating agencies, in particular with the work of rating analysts. While in the case of corporate bond rating, analysts are in direct contact with the corporation, and come to a decision on the basis of an autonomous, qualitative expert judgment, they have to rely on third party data that they analyze with the help of quantitative formalized-standardized statistical models in the case of judging structured financial products. Now, the strong and widespread downgrading of overly optimistically rated structured financial products triggered the financial crisis in 2007. Although the European Commission in its reaction to the rating agencies’ failure tries to regulate them more coherently, in its proposals it does not differentiate between corporate bond rating and the rating of structured financial products. This leads to the paradoxical situation that the kind of autonomous qualitative expert judgments with no (large) effect on the crisis will be weakened, while the stronger quantifying, formalizing and standardizing kind of work responsible for causing the crisis will be strengthened.

Zurück

2024 AIS. Alle Rechte vorbehalten.

Cookie Hinweis:
Wir verwenden Cookies. Mit der Nutzung unserer Webseiten, erklären Sie sich mit der Speicherung dieser Cookies einverstanden. Weitere Infos unter Datenschutz…

Ok!