Artikel in AIS-Studien Jahrgang 5, Heft-Nr. 1 (2012)

Die „große Transformation“ als Krise des Arbeits- und Geschlechterregimes

Hildegard Maria Nickel

Zusammenfassung

Die derzeitige „Vielfachkrise“ (Demirovic) ist nicht allein ökonomisch zu erklären. Der Beitrag folgt einer Kriseninterpretation, die die Ereignisse der Finanz- und Wirt-schaftskrise von 2008/09 als ein spezifisches Stadium in einem schon seit Anfang der 1970er Jahre andauernden Transformationsprozesses von der Industrie- zur Dienstleistungsökonomie einordnet. War Erwerbsarbeit in der Phase des fordisti-schen Industrialismus wesentlich durch das männliche Normalarbeitsverhältnis ge-kennzeichnet, so gilt für das Geschlechterverhältnis dieser Phase das Rollenmodell des männlichen Familienernährers und der weiblichen Hausfrau und Mutter, die das Familieneinkommen allenfalls durch Teilzeitarbeit ergänzt. Dieses Arbeits- und Genderregime ist im Zuge des gesellschaftlichen Transformationsprozesses selbst in die Krise geraten. Der Ausgang des Krisenverlaufs ist relativ offen. Beides ist denkbar: Sowohl das Retardieren demokratischer (Arbeits-)Strukturen und damit zusammenhängend die Retraditionalisierung des Geschlechterverhältnisses wie auch eine demokratische Erneuerung der (Arbeits-)Strukturen, verbunden mit einer weiteren Demokratisierung der Geschlechterbeziehungen.

Title (english)

Abstract (english)

The current “multiple crisis“ (Vielfachkrise) cannot be explained only in economic terms. The crisis interpretation offered in this paper approaches the events of the financial and economic crisis of 2008-09 as a specific stage in the continuous trans-formation process of the industrial onto a service economy beginning already in the early 1970s. During the phase of fordist industrialism, when employment was primarily defined through male wage labor, the dominant gender relation was between a male breadwinner and a female housewife and mother, who, if necessary, would supplement the family income with temporary work. This work and gender regime is, as part of larger processes of social transformation, undergoing a crisis. The outcome of this crisis is relatively open. Both scenarios are conceivable: a rolling back of democratic (labor) structures along with a retraditionalization of gender relations as well as a democratic renewal of (labor) structures coupled with a further democratization of gender relations.

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