Artikel in AIS-Studien Jahrgang 8, Heft-Nr. 2 (2015)

Personale Herrschaft und die Horizontalisierung des Arbeitskonfliktes

Philipp Staab

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht Arbeitskonflikte im Segment einfacher Dienstleistungsarbeit. Hier wurde in den vergangenen Jahren eine erhöhte Streikaktivität konstatiert, die als Teil einer Schwerpunktverschiebung des Arbeitskampfgeschehens vom industriellen in den tertiären Sektor, als eine Tertiarisierung des Arbeitskonfliktes gedeutet wird. Der Beitrag argumentiert, dass der Arbeitskonflikt in den einfachen Dienstleistungen mit einer am Arbeitskampfgeschehen ausgerichteten Analyse nur unzureichend verstanden ist. Es wird für eine tiefe Theorie des Arbeitskonfliktes plädiert, die auch mikropolitisches Handeln auf der Ebene des Arbeitsprozesses als alltäglichen Arbeitskonflikt in die Analyse einbezieht und damit Konfliktfelder erschließt, die in den etablierten Arenen der Konfliktaustragung nicht repräsentiert sind. Am Beispiel typischer Arbeitssituationen im Einzelhandel, in Post- und Paketdiensten sowie Gebäudeservices wird gezeigt, dass im Alltag der Arbeitsprozesse desintegrative soziale Konflikte dominieren. Die Arbeitsprozesse sind von personalen Herrschaftsmodellen geprägt, die auf wechselseitiger Kollegenkontrolle basieren. Es kommt zu einer Horizontalisierung des Arbeitskonfliktes, die der Effekt betrieblicher Kontrollstrategien ist.

Title (english)

Direct Control and the Horizontalisation of Labor Conflicts

Abstract (english)

This paper analyses labor conflicts in routine service work in Germany. In recent years, a rise in strike activity in this labor-market segment has been observed and interpreted as a shift in the focus of labor disputes from the industrial to the service sector. This paper argues that in order to understand labor conflicts in routine service work, a perspective which focuses exclusively on strikes is inadequate. Instead, a deep theory of labor conflicts is needed, which includes micro-political conflicts in the labor process in the analysis and addresses areas of dispute that are not represented in the classic work on industrial relations. Evidence from three key branches – retail stores, mail distribution, and cleaning companies – suggests that in the case of routine service work, labor processes are shaped by systems of mutual, direct control among colleagues. As a result, disputes over power and autonomy develop, leading to a horizontalisation of the labor conflict.

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