Bürokratie, Subjekt, Ko-Evolution. Eine (Neu-) Vermessung ihres Verhältnisses
Mario Becksteiner
Zusammenfassung
Der Beitrag versucht sich an einer Neuvermessung des Zusammenhangs von deviantem Verhalten von Lohnabhängigen und der Entwicklung betrieblicher Bürokratie. Um diesen Zusammenhang analytisch greifbar zu machen wird eine Heuristik der Ko-Evolution angelegt und mit Hilfe der Theorie von Cornelius Castoriadis ein theoretischer Rahmen gespannt. Dieser Rahmen ermöglicht es, unterschiedliche Ebenen der Legitimation devianten Verhaltens von Lohnabhängigen aufzuspüren und gleichzeitig die Ebenen betrieblicher Realität zu benennen, die damit kritisiert werden. Der Beitrag untersucht dies anhand von Reportingprozessen in einem transnationalen deutschen Konzern. Die Untersuchung zeigt, dass deviantes Verhalten nicht unbedingt Sanktionen nach sich ziehen. Insbesondere wenn die Kritik immanent bleibt und die Devianz im Sinne einer, brauchbaren Illegalität‘ den Produktionsprozess nicht stört und begründet wird mit operativer oder kaufmännischer Rationalität, gibt es keine Sanktionierungen. Erst wenn sich in der Devianz eine Art von Kritik artikuliert, die grundlegender den Rationalitäts- oder Wahrheitsanspruch von betrieblichen Bürokratien angreift, scheinen Sanktionierungen an der Tagesordnung.
Title (english)
Subjectivity – Bureaucracy – Co-Evolution. Re-analyzing their relationships
Abstract (english)
The paper examines the relation between deviant subjectivity of white-collar-workers and the development of enterprise bureaucracy. Therefore, a heuristic concept of co-evolution is being developed and connected to the theories of Cornelius Castoriadis. This framework allows an analysis of different levels of legitimation concerning deviant action of workers. It also uncovers the different levels of reality in enterprises, which get criticized by the deviant actions. The paper is based on empirical work, done in a transnational german enterprise focusing on reporting processes. Drawing on this empirical data, not every form of deviant action tends to result in sanctions by the enterprise bureaucracy. Especially when deviant action remains in the framework of an output logic and legitimates itself via operative necessities or mercantile rationality, no sanctions can be observed. But if these frameworks are left behind and the critics and the deviant actions are based on arguments, which challenge the control of the enterprise bureaucracy over the definition of truth or rationality, sanctions can be observed.